Tür zu

Tür zu

Je älter ich werde, umso mehr spüre ich, dass das Leben uns testet, wie gut sind wir im Loslassen. Vielleicht, um uns so vorzubereiten auf das große Loslassen
am Ende? Loslassen, Türen schließen, eines der ganz großen Themen bei jedem Mentaltraining, jeder Therapie, und selbst die Bachblüten kennen das Thema mit der Blüte Walnut gut. Denn Loslassen ist
ja auch immer ein Neubeginn. Und Neues macht ganz oft Angst.

 

Auch im pferdegestützen Coaching geht es ganz oft um diese Ängste. Schon sich darauf einzulassen, „was mit einem Pferd im Raum“ zu machen, ist eine
Entscheidung, die zuerst mal Angst machen kann. So ein großes Tier, so viel Kraft, 600 Kilo, die sich da frei im Raum bewegen. Und sich lösen von Dingen, die schon längst nicht mehr passen, ist
immer wieder Thema.

 

Wenn wir in einer ungeliebten Partnersituation stecken, einem Job nachgehen, der uns keine Freude macht, vor der Entscheidung stehen, Ausland oder nicht,
Wohnung oder Haus, welches Hobby, welches Studium – immer geht es darum, von einer Sache werde ich wohl Abschied nehmen müssen, um eine andere zum Erfolg zu führen.  Immer nur addieren geht
nicht, ich werde wohl auch mal subtrahieren müssen.

 

Diese Zeit der Entscheidungsfindung vergleiche ich gern mit einem Vorraum, vor mir gibt es viele verschlossene Tore, hinter mir das offene, aus dem ich gerade
komme. Welche Tür soll ich nehmen, was verbirgt sich dahinter.

 

Und aus Angst, sich auch noch den Rückweg zu verbauen, kommt es dann zu komischen Verrenkungen. Ein Fuß nach hinten gestreckt, der verhindert, dass mir mein
Fluchtweg zu fällt, und die Arme nach vorn, um eine der vielen Türschnallen zu erreichen. Kann natürlich nicht funktionieren. Nach außen behaupten wir dann gern, man habe ja eine Entscheidung
getroffen, aber… Stimmt nicht, eine Entscheidung hat man dann getroffen, wenn man zulässt, dass hinter mir die Tür laut hörbar ins Schloss fällt und sich auch nicht öffnen lässt.

 

Und dann – siehe da – plötzlich ploppen vor mir die Möglichkeiten auf. Türen die bisher verschlossen waren, lassen sich leicht öffnen. Gerade so, als hätte das
Schicksal nur darauf gewartet, zu testen, wie ernst man es denn gemeint hat.

Ich halte mich für recht gut im Türen schließen (negativ ausgedrückt würde man mir vielleicht eine mangelnde Bindungsfähigkeit attestieren). Wenn ich eine
Entscheidung getroffen habe, mache ich alle anderen Türen zu, weil das Offenhalten einfach zu viel Energie kostet. Und bei wichtigen Entscheidungen bin ich auch kein Teamplayer. Soll heißen, ich
hole mir nicht hunderte Meinungen ein. Dieses – was sagen andere dazu – ist ein wenig wie eine gut geputzte Fensterscheibe, die man mit lauter Folien undurchsichtig macht, bis man gar nichts mehr
sieht. Wenn ich Fehler mache, dann gern allein. Ich bin auch gut im Ausmisten, Verschenken, wenn ein anderer es brauchen kann, warum nicht? Ich hänge nicht so sehr an materiellen Dingen.

 

Wo ich Türen übrigens selten ganz schließe, das sind Menschen, die man manchmal für eine Zeitlang loslassen muss. Nicht natürlich bei echtem unethischen
Verhalten, Betrug, Beleidigungen, im beruflichen Umfeld. Aber im persönlichen heilt die Zeit viele Wunden, man wird älter, reifer, entwickelt sich und beginnt zu verstehen, sich immer öfter in
die Schuhe anderer zu stellen und darüber nachzudenken, was könnte der Grund gewesen sein für ein bestimmtes Verhalten, für so manchen Satz. Und manchmal ist es dann schön, wenn die zarte Pflanze
einer Freundschaft, die es mal gegeben hat, wieder aufblüht.

 

Pferde machen es uns praktisch jeden Tag vor. Obwohl wir selten in ihrer Sprache mit ihnen reden, sie oft missverstehen, sie nicht immer wirklich artgerecht
behandeln – sie tragen es uns sehr selten nach, sind am nächsten Tag wieder freundlich, neugierig, motiviert. Sie lassen uns die Tür zu ihnen wirklich immer angelehnt.
 

 

Kommentare: 1
  • #1

    Marion Morgenstern (Mittwoch, 20 Juni 2018 14:22)

    Wieder einer deiner guten Artikel und für mich gerade sehr passend. Ich habe auch gerade eine Tür fest zugeschlagen um mich beruflich anders zu orientieren. Man sagt immer, alles kommt zur rechten
    Zeit, so auch dieser Artikel.

    Vielen Dank dafür.

    Ich liebe Pferde, habe aber kein eigenes Pferd, aber zwei Hunde, was du über die Pferde schreibst, trifft auf sie ebenso zu, sie sind ehrlich, sie sind nicht nachtragend, auch wenn ich vielleicht in
    ihren Augen nicht immer alles richtig mache. Sie freuen sich immer mich zu sehen und wenn ich nur mal kurz vor der Tür raus bin, tun sie so als ob ich verschollen gewesen wäre.
    Liebe Grüße
    Marion Morgenstern