Ohne Leistung?
Manchmal gibt es ja Wortschöpfungen, die man auf den ersten Blick nicht wirklich versteht, weil der gesunde Menschenverstand eigentlich etwas anderes vermutet. So werde ich oft gefragt, was denn
eigentlich der Unterschied sei zwischen Reitpädagogik und Reitunterricht? Bei beidem sitzt man doch auf einem Pferd, reitet also, lernt was. Oder?
Am einfachsten ist der Unterschied zwischen beidem wohl noch rechtlich zu erklären (was man spätestens beim Abschluss einer Haftpflichtversicherung merkt). Bei einer Reitpädagogik ist das Pferd
immer geführt, hängt also sozusagen an der Leine. Beim Reitunterricht zieht man auch ohne diesen Sicherheitsgurt seine Bahnen, reitet also frei.
Beim Reiten ist außerdem zwischen Popo und Pferd ein Sattel, bei der Reitpädagogik nur eine Decke und „Haltegriffe“, ein so genannter Voltigiergurt. Wobei hier die Grenzen heute oft vermischt
werden und auch ein eigentlicher Reitunterricht oft als Reitpädagogik bezeichnet wird. „Richtig“ reiten lernen würde ich auch unter 8 Jahren niemandem empfehlen (denn oben sitzen ist nicht
reiten). In der Reitpädagogik haben wir aber auch schon 3jährige, die einfach gern mit einem Pferd zusammen sein wollen.
In der Reitpädagogik ist das sitzen AUF dem Pferd aber nur ein Teil der Stunde. Ganz viel spielt sich nämlich am Boden ab. Empathie, Verständnis für die Bedürfnisse eines anderen Lebewesens,
Bewegung auf dem Boden, Spiele, bei denen eben auch ein Pferd im Raum steht, das alles gehört ebenfalls dazu. Oder mal auf der Koppel beobachten, welche Pferde sind wohl „Freunde“ und wie zeigen
sie das.
Ohne Sattel heißt auch, man erspürt die Bewegungen des Pferdes viel besser. Dies tut gerade der kindlichen Wirbelsäule besonders gut und fördert nachweislich auch kognitive Fähigkeiten wie
Schreiben, Lesen, Rechnen, sich ausdrücken. Daher wird mit Pferd auch oft ein Legasthenie-Training durchgeführt.
Der wichtigste Unterschied ist für mich aber – in der Reitpädagogik geht es niemals um eine bestimmte Leistung und es geht nie um richtig oder falsch. Ecken richtig ausreiten, auf dem richtigen
Fuß traben, mit Händen, Füßen, Beinen in einer bestimmten Haltung, das gibts im Reit“unterricht“, nicht aber in der Reitpädagogik. Auch hier gilt wie beim Coaching mit Erwachsenen – man darf
einfach sein.
Vielleicht das wichtigste Geschenk, das man Kindern heute machen kann.