Achtsamkeit

Achtsamkeit

Was wir von Pferden ganz besonders lernen können, ist das, was wir in den letzten Jahren unter dem Begriff „Achtsamkeit“ (english „mindfulness“)
zusammengefasst haben.

 

Es gibt viele Erklärungen, was Achtsamkeit wirklich ist. Immer geht es dabei aber darum, im Hier und Jetzt zu leben, den Augenblick wahrzunehmen, egal ob es
ein glücklicher oder trauriger Moment ist, und nicht ständig in die Vergangenheit oder Zukunft zu flüchten. Und dabei die Dinge um uns herum wirklich zu sehen und mit allen Sinnen zu
erfassen.

 

Im Hier und Jetzt leben – klingt gut. Tun wir das nicht alle?

 

Dazu eine kleine Geschichte aus dem Zen-Buddhismus, die viele schon kennen:

 

Ein Schüler fragte einmal seinen Meister, warum dieser immer so ruhig und gelassen sein könne.
Der Meister antwortete:

“Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich.”
Der Schüler fiel dem Meister in Wort und sagte:

“Aber das tue ich auch! Was machst Du darüber hinaus?”
Der Meister blieb ganz ruhig und wiederholte wie zuvor:

“Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich…”
Wieder sagte der Schüler: “Aber das tue ich doch auch!”

“Nein”, sagte da der Meister. “Wenn Du sitzt,
dann stehst Du schon.
Wenn Du stehst, dann gehst Du schon.
Wenn Du gehst, dann bist Du schon am Ziel.”

 

Manche kennen das auch von ihrem Umgang mit ihrem Pferd. Man kommt im Stall an und denkt schon an das, was man tun muss, an die Aufgaben im Viereck, ob das
Pferd wohl wieder in der immer gleichen Ecke nervös werden wird oder wer wohl noch in der Halle sein könnte. Dazu kommen schon auf dem Weg vom Parkplatz zum Stall noch diverse Anrufe, Gedanken
daran, ob man im Büro alles erledigt hat, Ärger über ein Gespräch mit der Kollegin oder Sorge um die Kinder. Immer wieder sehe ich Menschen, die sogar auf dem Pferd sitzend noch in ihr Handy
quatschen. Und dann wundern wir uns, wenn unsere Pferde (aber auch Menschen) nicht „bei uns sind“.

 

Überlegen Sie mal – merken Sie bei einem Telefonat, wenn Ihr Gesprächspartner abgelenkt ist? Vielleicht daneben Emails beantwortet oder Kaffee kocht? Wie fühlt
sich das an?

 

Pferde können ideale Achtsamkeitstrainer sein, einfach schon deshalb, weil sie uns ignorieren, wenn wir nicht fokussiert sind. Pferde fordern unsere
Aufmerksamkeit, sonst passiert nichts. Den Moment, wo unsere Pferde ganz bei uns sind und mit uns kommunizieren, bekommen die meisten Menschen gar nicht mit.

 

Auch ein Zeichen, dass wir nicht im Hier und Jetzt leben – wir freuen uns ständig auf irgendetwas, das in der Zukunft liegt. Endlich Wochenende – endlich
Urlaub – endlich Rente. Es ist, als würden wir unser Leben in einer Abflughalle verbringen, aber nie am Urlaubsziel ankommen.

 

Die gute Nachricht – Achtsamkeit kann man üben. Die schlechte – man MUSS üben. Täglich.

Beim Erlernen einer Sprache leuchtet uns das ein, bei der Schulung unseres Geistes kommen uns ständig wichtigere Dinge dazwischen.

Natürlich ist Meditation eine hervorragende Übung, sie ist aber nicht jedermanns/fraus Sache und für viele ist dieses plötzliche zur ruhe kommen sogar leicht
bedrohlich.

 

Bei Pferden können wir Achtsamkeit aber auch einüben. Achtsamkeit hat auch damit zu tun, alle unsere Sinne einzusetzen.

Wie riecht das Pferd oder der Stall? Riechen wir frisches Heu? Nasses Fell? Pferdeäpfel? Was lösen diese Gerüche in uns aus? Erinnerungen? Welche?

 

Wie greift sich das Pferd an? Warm, spüre ich die Atmung?

 

Welche Geräusche höre ich? Ein zufriedenes Schnauben vielleicht?

 

Langsamkeit oder besser Bedächtigkeit gehört auch zur Achtsamkeit. Dann reitet man eben nur 20 Minuten, aber vorher und nachher tritt man achtsam mit dem
Lebewesen Pferd in Kontakt.

 

Achtsamkeit bedeutet auch, zu akzeptieren, dass nicht immer oberflächlich etwas Spannendes passieren muss, damit etwas passiert. Ganz oft sind es die stillen
innigen Momente, wo man vielleicht nur den Kopf am Pferd anlehnt, die innerlich ganz viel bewirken. Es gilt, diese Momente nicht zu zerstören, einfach mal Stille aushalten.

Immer wieder – einfach sein.